J. Lindner, N. Nowack, W. Heckmann:

Subjektive und objektive Veränderungen in der Versorgungssituation Behinderter vor und nach der deutschen Wiedervereinigung am Beispiel eines psychiatrischen Behindertenheimes auf dem Gebiet der ehemaligen DDR

In der DDR mußten chronisch psychisch Kranke bzw. psychisch-mehrfachbehinderte Menschen oft in Bettensälen großer psychiatrischer Langzeiteinrichtungen leben. Nach der Wende wurde diese Situation durch zahlreiche Neubauten dezentraler komplementärer Einrichtungen
(in der Regel nur noch mit Einzel- und Doppelzimmern) verbessert. Doch es stellt sich die Frage, wie betroffene Patienten ihre Versorgungssituation in der DDR
rückblickend einschätzen, und wie sie subjektiv ihre
aktuelle Versorgungssituation sehen.
So wurde eine Gruppe von 21 Probanden untersucht,
die in einem 1995 neu gebauten Heim leben, das nun
(auch räumlich) über zahlreiche soziotherapeutische, beziehungsorientierte und andere rehabilitative Angebote verfügt. Alle Probanden hatten schon vor 1989, zum Teil viele Jahre, in vollstationären Einrichtungen Sachsen-Anhalts gelebt.
Obwohl sich 72,7% in der DDR-Psychiatrie respektvoll behandelt fühlten, sahen nur 9,1% ihre Privatsphäre dort respektiert (in der neuen Einrichtung dagegen 81%).
55% erklärten, vor 1989 keinerlei Mitspracherecht bei relevanten Entscheidungen gehabt zu haben (gegenüber 12,6% zum Untersuchungszeitpunkt).
Bevormundungen erlebten in der DDR-Psychiatrie 28,6%
als sehr stark bzw. stark (in der jetzigen Einrichtung 0% ).
Jedoch fühlten sich genauso viele Patienten (28,6% ) in
der DDR-Psychiatrie gar nicht bevormundet
(während 42,9% angaben, sich aktuell überhaupt nicht bevormundet zu fühlen).
Das Empfinden, in der DDR gesellschaftlich diskriminiert worden zu sein, gaben nur 9% der Befragten an.
Allerdings fühlte sich heute keiner der Befragten mehr diskriminiert. Die psychiatrische Versorgung in der DDR beurteilten 33,3% als gut, keiner als sehr gut und 23,8%
als schlecht. Dagegen wird die aktuelle Versorgungs-situation von 61,9% als sehr gut bezeichnet, von 19%
als gut und von keinem der Befragten als schlecht.

(Ähnlich im Tagungsband enthalten und als Poster vorgestellt bei:
„Die subjektive Seite der Schizophrenie“, 2. Tagung, Hamburg. 1. – 3. März 2000, im Universitätskrankenhaus Eppendorf, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg, Deutschland)

Korrespondenz-Adresse:
Dr. med. N. Nowack
Zentrum für Soziale Psychiatrie Salzwedel
Hoyersburger Str. 60
D - 29410 Salzwedel

eMail: psych-ph-saw@t-online.de

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